Der öffenliche Raum aus sicht älterer Frauen

    FHNW-Studie in Olten

    Zurzeit sind in Olten ältere Frauen zu Fuss unterwegs mit Forscherinnen und Forschern, ausgerüstet mit einer Videokamera. Diese Spaziergänge sind Teil eines wissenschaftlichen Projekts. Untersucht werden die «Begehbarkeit» und die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes. 

    (Bild: Hochschule für Soziale Arbeit FHNW) Stadtpark Olten: Wie weit noch bis zur nächsten Sitzbank?

    Auf ihrem Gang zum Hausarzt muss die achtzigjährige Frau von Arx eine stark befahrene Strasse überqueren. Der Fussgängerstreifen führt «in einem Zug» über die Strasse, kein Inselchen in der Mitte, auf dem sie verschnaufen und die nächste sichere Möglichkeit abwarten könnte, die zweite Fahrbahn zu überqueren. Das macht ihr etwas Angst. Aber sie schafft es. Nach dem Arztbesuch macht sie einen Umweg durch den Park. Da vermisst sie eine Sitzbank am Wegrand für einen Zwischenhalt.

    Bewegen heisst Begegnen
    Das erfundene Beispiel zeigt: Ältere Menschen, die nicht mehr so sicher und schon gar nicht schnell gehen, vielleicht auf einen Rollator angewiesen sind, brauchen bauliche Voraussetzungen und öffentliche Infrastrukturen, damit sie sich selbstständig fortbewegen können. Und Mobilität ermöglicht das soziale Leben, das Teilhaben: Frau von Arx geht auch gern «auf einen Schwatz» ins Café in ihrem Quartier. Da ist sie froh, wenn die Wege nirgends zu steil, die Verkehrssituation nirgends unübersichtlich und der Bordstein an keinem Strassenrand zu hoch ist.
    Bewegen heisst auch Begegnen. Und körperliche Aktivität sowie soziale Kontakte sind wesentliche Voraussetzungen für ein gesundes Altern und für Lebensqualität.

    Merkmale der «Begehbarkeit»
    Ältere Menschen, besonders Frauen, sind in erster Linie zu Fuss unterwegs. Das Quartier wird zum Lebensraum. Wichtige Kenngrössen für die Begehbarkeit eines Quartiers für ältere Menschen sind: Dichte und Routenführung des Fusswegnetzes, Gefälle der Wege, Stufen und Bordsteine, Breite des Trottoirs (sollte über zwei Meter betragen), Kreuzen gefährlicher Strassen, Verkehrsinseln, Zeitphasen von Lichtsignalanlagen, verkehrsberuhigte oder -freie Zonen, Einkaufsmöglichkeiten, Anschluss an den öffentlichen Verkehr, Restaurants oder Cafés, Parks, Bänke mit Rückenlehnen, gute Beleuchtung, keine Zeichen von Verwahrlosung (Littering, Schmierereien, zerbrochenes Glas).

    Kein Stadtentwicklungsprojekt, aber …
    Zurzeit finden in Olten Begehungen mit älteren Frauen statt, die von Forschenden der Fachhochschule Nordwestschweiz mit Kamera begleitet werden. Erhoben wird so die subjektive Wahrnehmung der Begehbarkeit und der Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes. Ergänzend nutzt das Projektteam auch Quellen wie GIS-Datenbanken oder öffentliche Register. Das Untersuchungsgebiet umfasst die Quartiere Schöngrund und Hagmatt. Das Projekt soll einen Beitrag dazu leisten, Städte und Quartiere so zu gestalten, dass sie Bewegung und Begegnung im öffentlichen Raum für betagte Frauen ermöglichen.

    Die «IG aktives alter olten» ist sehr interessiert am Projekt und unterstützt es. Doris Rauber, Präsidentin der IG und ehemalige Stadträtin, sagt: «Es ist wichtig, die Quartiere auch nach den Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren zu gestalten. Wir begrüssen es sehr, dass diese Bedürfnisse mit den direkt Betroffenen geklärt werden.»

    Es handelt sich aber nicht um ein Stadtentwicklungsprojekt. Ziele sind vielmehr das Gewinnen allgemeiner Erkenntnisse und die Entwicklung einer besonders für ältere Frauen geeigneten Methode der Analyse eines Quartiers. Denkbar sind direkte Auswirkungen auf die Stadt Olten dennoch: Die Ergebnisse des Projekts werden der zuständigen Stadträtin Iris Schelbert vorgelegt.

    Warum Frauen?
    Die Studie konzentriert sich auf die Bedürfnisse und Wahrnehmungen von älteren Frauen, weil deutlich mehr hochaltrige und fragile Frauen als Männer in unserer Gesellschaft leben. Sie leben viel öfter alleine in einem Haushalt und ohne einen Lebenspartner. Sie sind besonders verletzlich, haben Angst vor Gewalt im öffentlichen Raum. Auch schalten sich ältere Frauen nur selten in Prozesse zur Stadtentwicklung ein, weshalb ihre Bedürfnisse oft unberücksichtigt bleiben.

    pd / FHNW

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