KOLUMNE:
Jugend von heute
«Die heutige Jugend ist nur noch am Handy», «Kein Wunder sind deine Noten schlecht, wenn du immer nur am Handy bist» oder «Du hast das nicht mitbekommen, weil du in diesem Moment sicher am Handy warst.» Ich glaube, jeder Jugendliche kennt diese elterlich stigmatisierten Aussagen. Als ich vierzehn war und gerade erst ein Handy erhalten hatte, wurde mein Internetkonsum streng überwacht, jede Tastenbewegung stets kommentiert und diskutiert. Nun habe ich den Eindruck, dass sich die Rollen gewechselt haben. Immer mehr fällt mir auf, wie am Tisch die Eltern ihren Blick fast nicht vom Display lösen können, alles stets fotografieren müssen mit der Begründung: «Fürs Grossi». Der Drang stets präsent zu sein, hat sich nun auch in den älteren Generationen etabliert.
Familienchats haben sich zu «Dokumentationsportalen» weiterentwickelt, in denen man den Nachrichtenfluten ausgesetzt ist. Man möchte sich selbst und die Familie auf «Social Media» präsentieren. Als naive 14-Jährige hätte ich diese Veränderung mit Freude begrüsst und konkludiert, dass mein Internetkonsum nicht mehr mit Argusaugen beobachtet werden würde: «Endlich sind meine Eltern auch in diesem Jahrhundert angekommen.» Mit Distanz betrachtet, ist diese massive Erhöhung des Internetkonsums mit einer grossen Gefahr verbunden. Der Sog des Internets hat nun allmählich auch die reiferen und lebenserfahreneren Menschen in seinen Bann gerissen. Die Diskrepanz zwischen dem realen Leben und «Social Media» wird immer schwieriger zu erkennen. Wir verlagern Schritt für Schritt unser ganzes Leben ins Internet und verlassen nicht mehr mal das Haus, um Lebensmittel einkaufen zu gehen. Klar, unser gesellschaftlich funktionierendes Zusammenleben bringt Veränderungen mit sich, aber nicht jede Veränderung hält dieses Zusammenleben aufrecht. Man sollte das Internet nicht nur schlecht reden, da es unser Leben in vielen Aspekten vereinfacht. Dennoch muss es immer mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden. Fakt ist, zurzeit wird «Social Media» einen zu hohen gesellschaftlichen und zeitlichen Wert beigemessen. Wie schnell passiert es, dass man im Internet falsch abbiegt und aus einer halben Stunde vier Stunden «surfen» wird. Der Knackpunkt hierbei ist, unser Nutzen hat einen Anfangspunkt aber kein definiertes Ende. Während vorherige Hobbys, wie Tanzen, eine definierte Zeitspanne hatten, ist das Handy die ganze Zeit mit dabei.
Wir, Homo sapiens, können Gutes nicht nur im Überfluss geniessen, sondern kosten es so lange aus, bis es nicht mehr existiert wie beispielsweise beim Klimawandel. Weshalb sollten wir auch eine Ressource begrenzt benutzen, die uns weniger Aufwand bereitet? Im Falle des Klimawandels ist die Ressource endlich und das Internet dagegen unendlich, dennoch lassen sich diese beiden Problematiken in dem Aspekt des Wegignorierens vergleichen. Wie Immanuel Kant schon im Jahre 1784 sagte, sind Faulheit und Feigheit die grössten Feinde unseres aufgeklärten Selbst. Wenn wir einen Ausweg finden, dass wir nicht selbst handeln müssen, nehmen wir diese.
Um aus diesem Kreislauf ausbrechen zu können, braucht es den Willen zur Besserung und das Bewusstsein, dass das Internet eine Gefahr mit sich bringt: das Sich-selbst-Vergessen. Wir müssen uns tagtäglich vor Augen führen, dass ein exzessiver Gebrauch des Internets nicht gesund ist und wir so kostbare Zeit verlieren. Die Internetwelt ist ein Luxus der Modernität und dies soll auch so bleiben. Wir können uns damit belohnen, es geniessen, aber sollten uns auf keinen Fall daran gewöhnen nicht ohne leben zu können.
Herzlichst
Lilly Rüdel