Das Ja zum Energiegesetz im Mai 2017 und somit das Bekenntnis zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 zeigt jetzt immer mehr Wirkung – dank effizienter Anreizsysteme und neu auch aufgrund der Begleiterscheinungen zur Covid-19-Pandemie.
Wie ist die Marktentwicklung und wie stehen die Marktchancen für Solartechnik in der Schweiz? Wie funktionieren Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch und wie können Solaranlagen noch besser in die Gebäudehülle integriert werden? Sind die Synergien zwischen Verteilnetzen, Photovoltaik, Batterien und Elektromobilität zu optimieren und was läuft in der Photovoltaik-Forschung? Diese Themen und natürlich die Wirkung der Covid-19-Pandemie auf die Nachfragesituation sind in der Branche im Fokus.
Während der letzten nationalen Photovoltaiktagung 2020 mit ca. 500 Teilnehmenden wurden viele Erkenntnisse geteilt, die auch bis zur nationalen Photovoltaiktagung 2021 im Juli aktuell bleiben dürften: Nach einem für die meisten Marktteilnehmenden erfreulichen Jahresbeginn mit einer steigenden Nachfrage nach Photovoltaikanlagen in verschiedenen Segmenten waren bald schon Lieferengpässe bei chinesischen Modulen festzustellen. Während sich diese Situation allmählich wieder entspannte, standen nun Sorgen wegen des krankheitsbedingten Ausfalls von Arbeitskräften im Zentrum. Positiv war und ist: Es werden wieder mehr Solaranlagen auf Mehrfamilienhäuser sowie auf Industrie- und Gewerbebauten angebracht. Nach den schwierigen Jahren 2015 bis 2018 scheint sich der Markt 2019 und 2020 wieder erholt zu haben. Insbesondere ist bei grösseren Anlagen auf Mehrfamilienhäusern sowie auf Industrie- und Gewerbebauten wieder ein Marktwachstum zu verzeichnen. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass die Frist bis zur Auszahlung der Einmalvergütung auf unter ein Jahr gesenkt wurde, wodurch die Sicherheit für Investoren deutlich verbessert werden konnte. Es brauche einen Ausbau der Photovoltaik um den Faktor 20 gegenüber den 50 Gigawatt heute, heisst es bei Swissolar. So könne eine Jahresproduktion von 45 Terawattstunden Solarstrom bis 2050 erreicht werden. Im Verbund mit den anderen erneuerbaren Energietechnologien, allen voran mit der Wasserkraft und den Speichertechnologien, könne so eine sichere Energieversorgung auch im Winterhalbjahr gewährleistet werden. Die dafür notwendigen Flächen seien auf unseren Gebäuden in der Schweiz vorhanden. Aber es würden (noch) die wirtschaftlichen Anreize zu diesem Ausbau fehlen und die geplante vollständige Liberalisierung des Strommarkts hätte eine zusätzliche Bremswirkung, sofern keine Gegenmassnahmen ergriffen werden. Wichtig bleibt das Thema des Einsatzes von Solarmodulen in der Gebäudehülle – eine der Kernkompetenzen der Schweizer Solarbranche. So weit zu den aktuellsten Themen in der Branche.
Globaler Trend ungebremst – Stagnation in der Schweiz?
Gemessen an der installierten Leistung war Photovoltaik (Solarstrom) die Energieerzeugungstechnologie, die in den letzten Jahren weltweit am meisten zugelegt hat. Für die nächsten Jahre wird mit einem weiteren globalen Marktwachstum von 20 bis 50 Prozent gerechnet. So weit der Trend im weltweiten Markt. Etwas anders sieht die Sachlage in der Schweiz aus: Swissolar geht diesbezüglich von einem stagnierenden Photovoltaikmarkt aus.
Dennoch: Swissolar, der Schweizerische Fachverband für Sonnenenergie, rechnete für das Jahr 2020 mit einem neuen Rekordzubau bei Photovoltaikanlagen. Gegenüber dem Vorjahr lag das Wachstum bei mindestens 30 Prozent. Doch zur Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele der Schweiz muss der Zubau in den nächsten Jahren um den Faktor 4 gesteigert werden. Um dies zu erreichen, braucht es Anpassungen bei der Förderung, die Pflicht zur Eigenstromnutzung bei Neubauten und raumplanerische Vereinfachungen für Freiflächenanlagen, insbesondere auf Infrastrukturen.
Die offizielle Statistik für den Solarenergie-Zubau im Jahr 2020 wird jedoch erst im Juli 2021 vorliegen. Aufgrund von bereits verfügbaren Zahlen geht man aber davon aus, dass in der Schweiz im vergangenen Jahr Solarstromanlagen mit einer Leistung von 430 bis 460 Megawatt (MW) neu installiert wurden. Die Anmeldezahlen bei der Zertifizierungs- und Förderstelle Pronovo lassen darauf schliessen, dass das Wachstum nicht nur bei kleinen Anlagen, sondern auch bei solchen über 100 kW Leistung stattfand. Für das starke Marktwachstum ist insbesondere die Verkürzung der Wartefrist bei der Einmalvergütung verantwortlich. Diese konnte auf wenige Monate reduziert werden. Die 2019 stärker ins Zentrum gerückte Klimakrise hat zudem vermutlich bei einigen Bauvorhaben eine Solar-Integration vorangetrieben. Auch die Pandemie hatte wohl einen Einfluss auf den Solarzubau: Der Wunsch nach Autarkie nahm zu, viele fanden Zeit, um lang gehegte Ideen zu realisieren, und finanziell stand mangels anderer Ausgabemöglichkeiten mehr Kapital zur Verfügung. Ob diese Effekte im laufenden Jahr weiterhin wirksam sind, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.
Der Rekordzubau darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Zubau noch massiv gesteigert werden muss. Pro Kopf entspricht er 2020 lediglich einer neu installierten Fläche von 0.25 bis 0.27 Quadratmetern. «Um den wegfallenden Atomstrom zu ersetzen und den zusätzlichen Strombedarf für die Elektrifizierung des Verkehrs und der Heizungen zu decken, muss der jährliche Zubau in den nächsten Jahren auf etwa 1500 MW gesteigert werden – also auf das nahezu Vierfache des letzten Jahres», sagt Swissolar-Geschäftsleiter David Stickelberger. (Quelle: Swissolar)
Zur Erreichung dieses Ziels braucht es aus Sicht der Schweizer Solarbranche folgende politische Massnahmen:
- Stärkere Förderung von Anlagen ohne Eigenverbrauch: Zahllose Dächer von Ställen, Lagerhäusern und ähnlichen Gebäuden werden heute nicht mit Solaranlagen ausgestattet, da der Strom nicht an Ort und Stelle verbraucht werden kann. Ähnliches gilt für Parkplatzüberdachungen, Lärmschutzwände und weitere Infrastrukturen.
- Rasche Umsetzung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich in allen Kantonen und damit verbunden die Pflicht zur Eigenstromerzeugung bei Neubauten. In einem weiteren Schritt ist eine Verpflichtung zur Nutzung bestehender Dach- und Fassadenflächen zu prüfen.
- Abbau von Hürden bei der Erstellung von Freiflächenanlagen: Solaranlagen ausserhalb von Gebäuden erhalten bisher nur mit Schwierigkeiten eine Baubewilligung. Davon betroffen sind sinnvolle Nutzungen wie Parkplatzüberdachungen, Systeme zum Schutz empfindlicher landwirtschaftlicher Kulturen anstelle von Folientunnels (Agri-Photovoltaik) oder alpine Anlagen im Umfeld von Skigebieten.
Ohne Anreize, keine Motivation
Die globale Entwicklung der Photovoltaik ist und bleibt in der Tat spektakulär: In einem Vortrag der beiden Schweizer Träger des renommierten Becquerel-Preises für aussergewöhnliche Leistungen im Bereich der Photovoltaik, Christophe Ballif und Stefan Nowak, heisst es, dass Solarstrom auf dem Weg zur wichtigsten Stromquelle weltweit sein dürfte. In der Schweiz waren indes Solarprojekte jahrelang wegen ungenügender Rahmenbedingungen blockiert. Jetzt aber können die Projekte wieder mit einer Förderung rechnen, müssen jedoch, wie schon erwähnt, einen relevanten Anteil ihrer Produktion selbst verbrauchen, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.
Solarenergie als Teil der Gebäudehülle
Ein weiteres interessantes Hauptthema seit einigen Jahren: die Solarenergie als Teil der Gebäudehülle. Studien zeigen, dass auf den Dächern und Fassaden der Schweiz rund die Hälfte des Strombedarfs mit Solarmodulen erzeugt werden könnte. Erörtert wurde das Beispiel der Stadt Carouge, wo man Denkmalschutz und Solarenergienutzung kombiniert.
Die Integration der Photovoltaik ins Energiesystem der Zukunft ist ebenfalls ein entscheidender Aspekt. Der steigende Anteil von Solarstrom im Stromnetz muss bewirtschaftet werden. Dies könnte, so wurde auf der Tagung besprochen, durch Nutzung von Elektromobilität und Batteriespeichern unterstützt werden.
Typisch Schweiz: Innovative Forschung
Nach wie vor ist Innovation einer der grossen Treiber im Bereich Photovoltaik. Die Schweizer Forschung und Industrie ist nach wie vor in diesem Bereich Weltspitze und sehr innovativ. Eine wichtige Rolle nehmen dabei die Fachhochschulen ein. Aktuelle Forschungsschwerpunkte für vom Bundesamt für Energie (BFE) geförderte Aktivitäten sind derzeitig: eine Effizienzsteigerung der einzelnen Komponenten, die industrielle Umsetzung neuer Produkte und Herstellungsverfahren, Qualitätssicherung, Erhöhung der Anlagenzuverlässigkeit. Man forscht laufend auch nach neuen Lösungen für die Integration der Photovoltaik sowohl in Gebäuden als auch im elektrischen Netz. Im Bereich der Nachhaltigkeit möchte man eine Verminderung von Energie- und Materialeinsatz bei der Produktion oder der Rezyklierung erzeugen. Bei der Weiterentwicklung und industriellen Umsetzung verschiedener Solarzellentechnologien sucht man nach Konzepten für sehr hohe Wirkungsgrade. Ausserdem: Die Entwicklung neuartiger Modultechnologien für eine verbesserte Integration von Solaranlagen auf Dächern und in Fassaden steht ganz oben auf der Prioritätenliste – genauso wie die Integration von Photovoltaikanlagen ins elektrische Netz (Modellierung und Vorhersagen, Entwicklung multifunktionaler Komponenten und Zusammenspiel mit dezentralen Speichern).
ChSt, JoW
Quellen: Swissolar, BFE
Netzwerk der Solarbranche
Die jährlich durchgeführte Nationale Photovoltaiktagung wird von Swissolar gemeinsam mit dem Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und dem Bundesamt für Energie (BFE) organisiert. Die rund 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer stammen aus der Solarbranche, der Elektrizitätswirtschaft, der Forschung, der Architektur und der Politik. Die Veranstaltung wird von einer wissenschaftlichen Posterausstellung sowie einer Produkteausstellung begleitet.